Was passiert eigentlich, wenn man als landlocked Surfer ohne vorbereitendes Training zum Surfen geht? Im günstigsten Fall bekommt man keine Wellen, weil die Paddelpower fehlt, die Bewegungsabläufe nicht schnell genug umgesetzt werden können oder es an der Beweglichkeit hapert. Das ist natürlich deprimierend, aber nicht weiter schlimm. Wenn allerdings ein Schmerz im unteren Rücken auftritt, ein Blockadegefühl in der Schulter entsteht oder man ein Taubheitsgefühl in den Händen spürt, ist das ärgerlich und weitaus kritischer.
Plötzlich steht man vor gepackten Koffern und bricht zum langersehnten Surf-Trip auf. Zuvor hatte sich jedoch der Alltag ins Leben geschlichen, man hat tagsüber stundenlang im Büro vor dem Computer verbracht und eventuell den Abend gemütlich auf dem Sofa ausklingen lassen. Auch wenn wir uns mit der "Head Down Generation" nicht identifizieren lassen wollen, so ertappen wir uns doch immer wieder, wie wir erneut mal wieder zum Handy greifen und unseren Blick nach unten sinken lassen.
Wenn man beim Surfen Schmerzen entwickelt, hat das immer eine Ursache. Die Gründe sind natürlich individuell und können von guten Ärzten und Physiotherapeuten erkannt und behandelt werden. Auch wenn die Brustwirbelsäule meist keinerlei Beschwerden äußert, so liegt ganz häufig die Ursache in unserer Mitte. Daher ist es wichtig, seinen Körper mit seiner Anatomie und Funktion zu verstehen. So kann man vorbeugend an seiner Gesundheit arbeiten und eine unbeschwerte Zeit beim Surfen haben.
Anatomie der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule eines Erwachsenen besteht aus vier Abschnitten:
- Halswirbelsäule (HWS)
- Brustwirbelsäule (BWS)
- Lendenwirbelsäule (LWS)
- Sakralwirbelsäule
Zwei untereinanderliegende Wirbel werden als Segment bezeichnet. Betrachtet man die gesamte Wirbelsäule von der Seite, so hat sie typischerweise eine Doppelte-S-Form. Bei der LWS-Krümmung spricht man von einer Lordose. Umgangssprachlich wird eine übermäßige Krümmung der unteren Wirbelsäule häufig als Hohlkreuz bezeichnet. Die BWS weist die Gegenrichtung auf. Eine sogenannte Kyphose. Und im Bereich der HWS haben wir wieder eine Lordose.
Alle Abschnitte der Wirbelsäule sollten mit ihrer natürlichen Krümmung ins Lot gebracht werden können. Befindet sich die Wirbelsäule im Lot, sprechen wir von einer Art Startposition. Hier befindet sich die Muskulatur im Gleichgewicht und der Körper ist in einer guten Position, um von dort aus in alle Richtungen bewegen zu können.
Die Besonderheit der Brustwirbelsäule
Die Brustwirbelsäule stellt eine Besonderheit der gesamten Wirbelsäule dar, denn in diesem Bereich haben wir noch einige weitere Gelenke. Und zwar den Brustkorb mit all seinen Rippengelenken, welche direkt auf der Rückseite an der Wirbelsäule und an der Vorderseite am Brustbein (Sternum) ansetzen. All diese Bereiche sollten regelmäßig Bewegung erfahren.
Neben der einseitigen Haltung kann auch ein falsches Atemmuster die Beweglichkeit im Brustkorb einschränken! Bleib up-to-date mit dem Newsletter, bald gibt es einen neuen Artikel zum Thema Atmung. |
Haltung im Alltag vs. Haltung beim Paddeln
Die Streckung der Wirbelsäule kommt im Alltag oft zu kurz. Das kann daran liegen, dass man wenig Überkopfaktivitäten ausführt, man viel sitzt, öfters mal ins Handy oder Tablet schaut oder nachts in Embryonalstellung schläft. Eine kurzfristig gekrümmte Wirbelsäulenposition ist selbstverständlich völlig in Ordnung für unseren Körper, schließlich ist unsere Wirbelsäule zum bewegen da. Wird diese Haltung aber zum Dauerzustand, dann geht unter anderem die Streckung der mittleren Wirbelsäule verloren >> Use it or lose it!
Beim Paddeln verbringt man viel Zeit in Bauchlage mit gestreckter Wirbelsäule. Dabei sollte die Streckung der Wirbelsäule aus dem gesamten Rücken erfolgen - aus der Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule. Auch die Streckung der Hüften sollte voll gegeben sein.
Was passiert nun beim Paddeln, wenn man die meiste Zeit des Jahres in der gekrümmten Haltung gesteckt hat?
Die Folgen
Verbringt man einen Großteil seines Tages in einer gekrümmten Position (und das über Wochen, Monate oder gar Jahre hinweg), dann finden die Strukturen (Muskeln, Sehnen...) nicht mehr schnell genug in ihre aufrechte Haltung zurück. Der Körper hat sich der gebeugten Form angepasst. Das spart Energie. Um jedoch mit einem Bewegungsmangel der Brustwirbelsäule (und auch der Hüften) aufrecht Stehen zu können, müssen andere Gelenke wie die Lendenwirbelsäule ("Hohlkreuz") oder die Halswirbelsäule ("Geierhals" / "Witwenbuckel") sich übermäßig strecken.
Lerne deinen Rumpf kennen:
Die Reaktion der LWS & der Hüftgelenke
Wie bereits erwähnt, können sich deine Strukturen nach langem Sitzen über Stunden nicht mehr so schnell dem gestreckten Zustand anpassen.
Dennoch wird die gerade Körperhaltung eingenommen, dies funktioniert indem Bewegungen kompensiert werden. Die eingeschränkte Hüftstreckung wird nun unterstützt von einer Lendenwirbelsäulen (Über-) Streckung. Das Becken kippt dabei nach vorne und die Lendenwirbelsäule gelangt in ein "passives Hohlkreuz" und stresst u.a. die Facettengelenke.
Stell dir mal vor, dass nun jede Hüftstreckung mit einer Lendenwirbelsäulenbewegung einher geht. Dies führt früher oder später zu Abnutzungserscheinungen in diesem Rückenbereich. Darum ist es enorm wichtig, dass wir fürs Wellenreiten unseren gesamten Körper regelmäßig in alle Richtungen bewegen und eine dauerhaft einseitige Körperposition so gut es geht vermeiden.
Zudem sollte die untere Wirbelsäule bewusst stabilisiert werden können. Vor allem die Übergangsbereiche von der LWS zum Sakralwirbelbereich und von der LWS zur BWS stellen Schwachstellen dar. Dies sind Regionen, bei denen gehäuft Vorwölbungen oder Vorfälle der Bandscheiben auftreten können. Was die Erklärung für ein mögliches Taubheitsgefühl in den Füßen beim Surfen sein könnte. Denn dabei kann die Bandscheibe auf den Nerv drücken, was u.a. zu Sensibilitätsveränderungen führen kann.
Die Hüftgelenke sollten ohne Verlust der Lendenwirbelsäulen-Stabilität bewegt werden können. Probiere es doch einfach selber mal aus. Gehe in den Vierfüßlerstand und strecke ein Bein so weit es geht nach hinten oben ohne dabei den Rücken zu bewegen.
Das Anheben des Beines aus Bauchlage mit einer stabilen unteren Wirbelsäule ist deutlich schwieriger. TIPP: Spanne in Bauchlage deinen Schambeinknochen kontinuierlich in den Boden, während du dein Bein anhebst.
Die Reaktion der Halswirbelsäule
Beim Paddeln richtet man seinen Blick nach vorne. Dabei hebt man seinen Kopf selbstverständlich an. Um den Kopf zu heben, sollte wieder eine ausgeglichene Streckung der Wirbelsäule erfolgen, bei der alle Abschnitte des Rückens mitarbeiten. Ist die Muskulatur v.a. des mittleren Rückens zu schwach und / oder die Bewegung in diesem Bereich eingeschränkt, erfolgt das Anheben des Kopfes rein aus der Halswirbelsäule.
Die untere Halswirbelsäule wird hierbei sogar eher gebeugt. Erst die oberen Kopfgelenke, v.a. die ersten beiden Halswirbel werden stark unter Stress gesetzt, da sie die komplette Streckung abfangen. Ein typischer Grund für Verspannungskopfschmerzen.
TIPP: Versuche aus der Bauchlage deinen Kopf anzuheben, indem du ein leichtes Doppelkinn machst. So verhinderst du den typischen Schildkrötenhals, bei dem man sein Kinn nach vorne schiebt und die oberen Gelenke unter Stress setzt.
Die Reaktion der Schultergelenke
Wenn du mit rundem Rücken versuchst die Arme zu heben, ist das nur schwer möglich. Du glaubst das nicht? Dann probiere es mal aus!
Durch diese Haltung werden die Pfannen der Schultergelenke nach vorne gedreht. Auch der Oberarmkopf, welcher im Vergleich zur Gelenkspfanne verhältnismäßig groß ist, steht räumlich gesehen weiter vorne. Dadurch können Strukturen wie zum Beispiel die lange Bicepssehne beim Paddeln gereizt werden.
Außerdem kann es passieren, dass wenn die Schulterpfanne und der Oberarmkopf nicht richtig zentriert sind, es bei Überkopfaktivitäten (Paddeln!) zu einer Engstelle im Gelenk kommt. Eine Reizung über einen längeren Zeitraum kann ein Impingement-Syndrom hervorrufen. Die Folge sind Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Kraftdefizite und eventuell ein langer Behandlungsweg.
Die Lösung
Lasst uns ganzjährig Surfer und Surferinnen sein - nicht nur im Urlaub! Es ist schwer an ein Ausgleichstraining bzw. ein surfspezifisches Workout zu denken, wenn das Meer nicht in Sicht ist. Aber je mehr man gesunde Bewegungen in seinen Alltag integriert, desto mehr Freude wird man dann beim Surfen empfinden.
Was sollte alles Bestandteil des Trainings sein?
- Mobilisation und Kräftigung der Brustwirbelsäule v.a. in Streckung und Rotation
- Mobilisation und Kräftigung der Hüften v.a. in Streckung, Beugung, Außen- und Innenrotation
- Mobilisation und Kräftigung der Schultern v.a. für Stützaktivitäten und Überkopfbewegungen
- Stabilisation der Lendenwirbelsäule
- Stabilisation der Halswirbelsäule
- Training der Bewegungsabläufe z.B. des Take-Offs
- Koordinations- und Gleichgewichtstraining z.B. auf dem Balance Board oder auf der Slackline
- ...
So bringst du eine Bewegungs-Routine in deinen Alltag:
Wenn du lernen möchtest, wie du deinen Rumpf gut ausrichtest und ihn beweglich hältst, um somit eine bessere Kraft, Balance und Leistungsfähigkeit im Boardsport erlangst, dann ist das 5-wöchige Kursprogramm MAGIC SPINE genau das passende für dich. Ich bin mir sicher, dass du nach dem Kurs ein neues Körpergefühl entdeckt hast und du tiefliegendes Potenzial freisetzen konntest.
Keinen neuen Artikel verpassen
"Surf-Fitness auf dem Balance Board: Übung "Surf a barrel"
|
Pin It auf Pinterest
⬇️ KLICK ⬇️
Kommentar schreiben